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Juni | 2019

Fluchtursache:


Europas Expansion

 

Warum sie flüchten

Die überragenden Fluchtursachen sind wirtschaftliches und soziales Elend, bis hin zu lebenslangem Hunger, Durst und Siechtum schon bei Kindern, sowie Kriege jedweder Form. Wo Krieg ist, ist immer auch Elend: Hunger, Durst, verseuchtes Wasser, zerstörte Wohnstätten, Krankheit ohne Medizin. Hinzu kommen die Folgen des – überwiegend von den reichen Ländern verursachten – Klimawandels. Diese drei Hauptursachen verstärken sich wechselseitig.

Die ökonomischen und politischen Machtverhältnisse produzieren in den meisten wenig industrialisierten Ländern auch ohne Krieg großes, oft todbringendes Elend. Sie veranlassen diejenigen, deren Kraft dafür noch ausreicht und die das notwendige Geld irgendwie auftreiben können, um des Überlebens willen zur riskanten Flucht.

 

Verantwortlich für die unerträglichen Lebensbedingungen sind vor allem

– Agrarexporte Europas und der USA, die den kleinbäuerlichen Agrarsektor in den Entwicklungsländern ruinieren,

– Land-Grabbing: Aufkauf großer kleinbäuerlich oder gemeinwirtschaftlich genutzter Flächen durch Konzerne aus den Industrieländern mit Hilfe korrupter einheimischer Machteliten. Umwandlung der geraubten Flächen in Plantagen, deren Produkte überwiegend in die Industrieländer exportiert werden. Das Mehrprodukt fließt, wie auch der Gewinn aus den Industrie- und Bergbaubetrieben westlicher Firmen, größtenteils außer Landes, die korrupten einheimischen Eliten erhalten Provision, den enteigneten Bauern bleiben bestenfalls Almosen,

– extensiver Fischfang vor den Küsten der Dritten Welt durch Flotten der Industrieländer,

– Vernichtung von Lebensraum durch Raubbau an den Bodenschätzen – Öl, Steinkohle, Uran, Bauxit, seltene Metalle für den ganzen EDV-Bereich, Zement-Rohstoff und viele andere in Afrika und in Lateinamerika, auch in Indonesien und auf den Philippinen,

– die sogenannten Freihandelsabkommen. Sie stellen ein Hemmnis für einen wirtschaftlichen Aufschwung der nicht industrialisierten Länder dar. Diese Abkommen werden ihnen von den westlichen Industrieländern unter Mitwirkung einheimischer Potentaten aufgezwungenen (s. Anhang).

Die Bevölkerungen der so geschädigten Länder bleiben in der Regel nicht arm, sie werden arm – durch „unsere“ Art des Wirtschaftens (z.B. Niger-Delta). Auch despotische Verhältnisse innerhalb der armen Länder sind Fluchtursachen. Aber auch hier liegt ein Teil der Verantwortung bei den Staaten des Westens, die solche Regimes immer dann stützen, wenn es ihren geopolitischen Interessen entspricht. Für sämtliche gegenwärtige Kriege als die schwerstwiegende Fluchtursache sind ausschließlich die USA und ihre jeweiligen Verbündeten mit ihrer Politik des militärischen Regime Change verantwortlich: Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, Jemen.

Die nachhaltige Reduzierung der Flüchtlingsströme kann nur die erfolgreiche Bekämpfung der Fluchtursachen sein, also die Schaffung von Frieden und würdigen Lebensumständen in den „Herkunftsländern“ – und nicht die Errichtung von hochtechnischen Fluchtsperren quer durch Afrika und den Orient. Jedoch ist eine schnelle Lösung selbst davon nicht zu erwarten, denn die militärischen, ökonomischen, politischen und ökologischen Verwüstungen in diesen Ländern lassen eine Erholung von heute auf morgen selbst bei – illusorischem – besten Willen aller Beteiligten nicht zu. Erste erlebbare Verbesserungen, also der Beginn einer autonomen Entwicklung auf der Basis der eigenen Ressourcen und Fähigkeiten, die gegen das internationale Kapital sowie gegen US-Regierung und EU, aber auch gegen einheimische Oligarchien durchgesetzt werden müssten, könnten aber Vertrauen in eine positive Entwicklung schaffen und viele der Notleidenden davon abhalten, das hohe Risiko der Flucht auf sich zunehmen.

 

Zur Geschichte der Unterentwicklung

Die Verelendung in fast allen Ländern Afrikas und Lateinamerikas und in vielen asiatischen Ländern hat ihren historischen Ursprung im Kolonialismus der europäischen Großmächte. Das Kolonialzeitalter als Inbesitznahme und produktive Nutzung überseei-scher Territorien begann in der Zeit des Frühkapitalismus mit der Entdeckung Amerikas für Europa (1492 durch Spanien) und der Erschließung des Seewegs nach Indien (1498 durch Portugal). Die Kennzeichen des iberischen Kolonialismus waren von Anfang an Gold- und Silberraub, Vernichtung durch Arbeit der Indios in den Minen und später auf den Plantagen. Human-christliche Interventionen und Predigten von Geistlichen wie Las Casas und Antonio de Montesinos blieben wirkungslos. Es entstanden die Jesuitenreduktionen in Paraguay und in Argentinien: humane und produktive Gemeinwesen. Von spanischer Kolonialmacht, Großgrundbesitz und katholischer Kirche wurden sie als ökonomische und ideelle Konkurrenz empfunden. Sie wurden verboten und gewaltsam ausgelöscht. Schon früh trat neben die Zwangsarbeit der Einheimischen der Verlust ihres Zugangs zum Boden, „fast immer die Ursache irreversibler Pauperisierung“ systemimmanent irreversibel. Es begann die kapitalistische Landnahme der drei Kontinente, die wir später die Dritte Welt nannten.

Zukunftsprägend für das Entstehen der Dritten Welt mit all ihrem Elend war die Zerstörung der gesellschaftlichen Strukturen, der Ökonomien und der Kulturen der Gemeinwesen in den Kolonialgebieten Lateinamerikas, Afrikas und Asiens durch die Europäer. Die Art zu arbeiten, sich zu ernähren, zu kleiden, zu wohnen, sich zu vermehren, zu beten, zu trauern und zu feiern wurde den einheimischen Bevölkerungen vom „christlichen Abendland“ genommen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Gesellschaften zu eigenen, überlebensfähigen Zivilisationen zu entwickeln.

Die islamischen ehemaligen Kolonien (Nordafrika einschließlich Ägyptens, Irak, Syrien, Libanon, die Golfstaaten) konnten ihre Religion, ihre Ethik und Lebensart und damit ihre Identität in unterschiedlichem Ausmaß bewahren. Unter dem Modernisierungsdruck des westlichen Einflusses entwickelten sich zunächst tendenziell sozialistische, dann orthodox islamische Strömungen mit antiwestlicher Ausrichtung. Auch die Religionen auf dem indischen Subkontinent blieben im Wesentlichen erhalten. In allen diesen Ländern haben sich Teile der Bevölkerungen in Ablehnung der westlichen Zivilisation, vor allem Teile der religiösen und politischen Eliten, im Beharren auf ihren tradierten Religionen und Lebensweisen radikalisiert. Radikal islamistische Gruppen konnten jedoch bisher in den meisten arabischen Staaten nicht die Macht erobern.

Mit dem gegenwärtigen als alternativlos untermauerten neoliberalen Angriff auf die herkömmlichen Lebensweisen und die soziokulturellen Gewohnheiten sowohl der alten Industrieländer als auch der Dritten Welt haben sich erhebliche soziale und politische Spannungen aufgebaut. In den westlichen Kernländern des Neoliberalismus kündigt ein Teil der Bevölkerung die Gefolgschaft auf, engagiert sich für Alternativen in Basisorganisationen oder wendet sich populistischen Strömungen zu, ohne bisher die expansive Profit- und Wachstumsorientierung zu gefährden. In der Dritten Welt führt der ökonomische, oft mit militärischer Gewalt ausgestattete Druck in Richtung umfassender Weltmarktunterwerfung „zur Verwüstung jener Kulturen, die sich ergeben haben“. Dort, wo die eigene Tradition und Identität noch verteidigt werden konnten, zumindest partiell und im Bewusstsein der Menschen, verstärkt sich der „Widerstand der Menschen gegen ihnen fremde Vorstellungen von einem modernen Lebensstil. Die vielleicht abscheulichste Form dieses Widerstandes findet sich in Phänomenen wie dem IS“.

 

Demütigung

Die Geschichte des Kolonialismus und seine Folgen für die Menschen in den Kolonien sind immerhin vielen Europäern bekannt. Das Bewusstsein der permanenten Demütigung der Einheimischen durch die weißen Staaten, Geschäftsleute, Siedler, Großgrundbesitzer, Missionare – nicht nur durch die Versklavung, fehlt weitestgehend. Ein Höhepunkt der Demütigung, aber durchaus symptomatisch für die Einstellung der „christlichen“ Länder auch gegenüber den „Kolonialvölkern“ mit tradierter Hochkultur, waren die beiden Opiumkriege: Großbritannien zwingt China mit Waffengewalt, Opium ins Land zu lassen, um das durch seine hohen Teeimporte entstandene Handelsdefizit auszugleichen. In den „Ungleichen Verträgen“ von Nanking 1842 und Tianjin 1858 nach den beiden Opiumkriegen wurde China gezwungen, eine hohe „Kriegsentschädigung“ dafür zu zahlen, dass es angegriffen wurde, Hongkong an Großbritannien abzutreten sowie wichtige Häfen für britische Waren zu öffnen und weitgehende Zugeständnisse an Großbritannien, Frankreich, Russland und die USA zu machen. „Der Schaden an der chinesischen Wirtschaft war irreversibel. Große Teile der Ökonomie brachen zusammen, Massenarmut war die unmittelbare Folge.“ Es entschädigte gewiss die Bevölkerung, dass sich China im Vertrag von Tianjin zur Gestattung unbeschränkter Missionstätigkeit durch die christlichen Kirchen verpflichten musste.

Das Schlussdokument der Berliner Afrika-Konferenz von 1884/85, die Kongoakte, bildete die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien – ganz ohne Beteiligung von Afrikanern. Sie wurden nicht einmal in irgendeiner Form gefragt, die Grenzen entweder mit dem Lineal oder mit den „Kolonialtruppen“ gezogen. Die Kolonialmächte setzten die Kongoakte mit brutaler Waffengewalt gegen sich wehrende einheimische Bevölkerungen durch. Die in ihre Armeen direkt oder indirekt gezwungenen einheimischen jungen Männer kämpften in beiden Weltkriegen und in Vietnam – für ihre Kolonialherren.

Grenzziehungen mit dem Lineal auch im Nahen Osten beim Zusammenbruch des Osmanischen Reichs. Das Sykes-Picot-Abkommen von 1916 etablierte britische und französische Protektorate. Es ermöglichte die Einwanderung von einer halben Million Juden, vor der Shoah vor allem Zionisten, bis 1948. Dieses Abkommen war der Bruch aller Zusagen der Briten und Franzosen an die dort lebenden Araber, mit denen diese zum Aufstand gegen das Osmanische Reich überredet wurden. Dieser Verrat „der Christen“ wirkt bis heute.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Kolonialmächte in den formal aufgegebenen Kolonien einheimische Eliten ein, die in den „Mutterländern“ ausgebildet und in jeder Hinsicht geprägt wurden – im Sinne kapitalistischer Klassengesellschaft und deren „Wertesystem“. Die von den Kolonialmächten Auserwählten haben in den „Mutterländern“ gesehen, wie angenehm es sich als Oberschicht leben lässt.

Jean Paul Sartre beschreibt die Heranbildung gefügiger Eliten aus den Kolonien präzise in seinem Vorwort zu Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde (1961):
„Es ist noch nicht lange her, da zählte die Erde zwei Milliarden Einwohner, das heißt 500 Millionen Menschen und eine Milliarde 500 Millionen Eingeborene. Die ersten verfügten über das Wort, die anderen entliehen es. Zwischen jenen und diesen dienten käufliche Duodezfürsten, Feudalherren und eine aus den Boden gestampfte falsche Bourgeoisie als Vermittler. … Der Eingeborene musste die ‚Mutterländer’ lieben. Wie Mütter. Die europäische Elite begann, eine Eingeborenenelite aufzubauen. Man wählte Jünglinge aus, brannte ihnen die Prinzipien der westlichen Kultur auf die Stirn und stopfte ihnen tönende Knebel in den Mund, große teigige Worte, die ihnen an den Zähnen klebten. Nach einem kurzen Aufenthalt im Mutterland schickte man sie verfälscht nach Hause zurück. Diese lebenden Lügen hatten ihren Brüdern nichts mehr zu sagen; sie hallten nur noch wider.“

So blieben die Herren der „Mutterländer“ vor allem in Afrika und im vorderen Orient de facto auch die Herren ihrer ehemaligen Kolonien, Mittel- und Südamerika gerieten unter den dominanten Einfluss der USA. Zweck und Folge ist der permanente Abfluss von Ressourcen und Mehrprodukt in die westlichen Industrieländer, auch in Form des Brain Drain. Die jetzt „Unabhängigen“ hatten weiterhin keine Stimme.

Bis heute lastet die koloniale Vergangenheit schwer auf diesen Gesellschaften:
„Es ist wichtig zu verstehen, dass die Unabhängigkeit der afrikanischen Länder, Ende der fünfziger Jahre, nur eine formelle Anerkennung der Souveränität war. Der Kolonialismus, der sich seit Jahrhunderten eingepflanzt hat, ist nicht innerhalb von sechzig Jahren abgeschafft. Das sind zwei verschiedene Sachen. Die tief eingegrabenen Herrschaftsformen zu dekolonialisieren ist ein langer Prozess. In diesem Prozess muss alles dekolonialisiert werden: die Sprache, das Wissen, der Blick auf sich selbst, die Mentalitäten und die Psychen. Der Kolonialismus zeichnete sich nicht nur durch die Dominanz der Wirtschaft und des Militärs aus, sondern auch durch eine systematische epistemische Gewalt. Dies spiegelt sich bis heute in den Strukturen der Bildungssysteme, den Formen der Produktionen und der Elitenformierung wider. Nach der Unabhängigkeit waren die afrikanischen Regierenden zum Großteil Marionetten des Westens. Es wurde imitiert, was die europäischen Länder vorgegeben haben. Ursprüngliche Herrschaftsformen der präkolonialen Zeit wurden nicht offiziell integriert.“

 

Die Befreiungsbewegungen

Nach dem 2. Weltkrieg entstanden in der Dritten Welt starke Bewegungen mit dem Ziel, die Wirtschaft auf der Basis der eigenen Ressourcen und der eigenen Arbeitskraft zu entwickeln. Sie wurden ausnahmslos vom Westen zerstört: Arbenz in Guatemala, Mossadegh im Iran, Juan Bosch in der Dominikanischen Republik, Einsetzen pro-amerikanischer Diktaturen in so gut wie allen Ländern Amerikas südlich der USA. Frankreich ging acht Jahre lang brutal mit massiver Militär-, Geheimdienst- und Polizeigewalt gegen die algerische Unabhängigkeitsbewegung vor. Hunderttausende Algerier und Algerierinnen, einschließlich Kinder, wurden getötet.

Lumumba wurde ermordet, als er den Kongo auf Basis der reichen Bodenschätze entwickeln wollte, der Westen setzte die Abspaltung des rohstoffreichen Katanga durch, das in der Hand belgischer Konzerne blieb. Ben Barka wurde ermordet, Kwame Nkrumah, die „Speerspitze der afrikanischen Wiedergeburt“ wurde durch einen von den Briten insze-nierten Putsch gestürzt. Militärinterventionen der tödlichsten Art Südafrikas und der USA gegen Agostinho Netos MPLA in Angola und gegen das Mozambique der FRELIMO unter Samora Machel. Später Sieg in beiden Kolonien (mit Hilfe Kubas). Die Sieger übernahmen von Kolonialismus und Krieg zerstörte Länder.

Die Bevölkerung Vietnams wehrte sich dreißig Jahre gegen die Fremdherrschaft der imperialistischen Mächte Japan, Frankreich und USA. Die Vietnamesen wollten nichts weiter als Herren in ihrem eigenen Land sein. Um das zu verhindern, griffen die USA zu Massenmord und Naturzerstörung.

Die Bilanz des Krieges der USA: drei Millionen tote, zwei Millionen verstümmelte und weitere zwei Millionen von abgeworfenen Chemikalien verseuchte Vietnamesen, 58 000 gefallene US-Soldaten. Die Anzahl der gefallenen amerikanischen Soldaten scheint vernachlässigbar. Aber auch sie waren Opfer, unter ihnen überproportional viele schwarze Amerikaner. Muhammad Ali alias Cassius Clay wehrte sich gegen den inneren Kolonialismus und sagte öffentlich, als er den Wehrdienst verweigerte:

„They want me to go to Vietnam to shoot some folks that never lynched me, never called me ‚nigger’, never assassinated my leaders.“

Als nach dreißig Jahren aufgezwungenem Krieg endlich die Unabhängigkeit errungen war, fiel es den vietnamesischen Eliten schwer, die Aufgaben friedlicher Entwicklung in ihrem zerstörten Land zu meistern.

Die Bundesrepublik Deutschland, fast alle deutschen Parteien und Medien, vor allem die Mehrheit der deutschen Bevölkerung haben das Verbrechen der USA an den Vietnamesen bis zuletzt unterstützt. Dieses moralische und politische Versagen wurde nie aufgearbeitet.

Kuba wurde nach der Revolution durch das Embargo wirtschaftlich isoliert, flankierend Militärangriffe und unzählige Mordversuche gegen Castro. So konnte das Land ökonomisch nicht auf die Beine kommen, und auch die Demokratie nicht entwickeln.

In Chile wurde der nach den Regeln der westlichen Demokratie gewählte Präsident Allende vom CIA im Bündnis mit der chilenischen Reaktion gestürzt und in den Freitod getrieben. Die wichtigsten Reformer mussten fliehen oder wurden ermordet.

In anderen Ländern hatte die imperialistische Strategie nicht zuletzt deshalb Erfolg, weil sich Befreiungsbewegungen nach ihrem Sieg korrumpieren ließen, wie der ANC in Südafrika und die MPLA in Angola. Dort bereichert sich eine kleine Clique von Staats- und Parteiführern bis heute in Kooperation mit den Ölkonzernen, die Volksmassen leben überwiegend in absolutem Elend.

In Kuba hat die Befreiungsbewegung Wort gehalten. Das gesellschaftliche Mehrprodukt fließt in Gesundheit und Bildung für alle, und in Arbeit für alle. Bis heute – trotz Embargo, organisiertem Brain Drain usw. – gibt es keine Slums in Havanna oder sonst wo auf Kuba wie in Sao Paulo, Santiago de Chile, Mexico City, Lagos, Luanda, Mumbai und endlos so weiter, der „Planet der Slums“ (Mike Davis). Fidel Castro hat sich nicht bereichert. Aber kein Land der Dritten Welt wurde vom Westen so drangsaliert wie Kuba.

Dagegen wurden die Produzenten der Slums hofiert: tausende Ermordete, ca. 30.000 „Verschwundene“ in Argentinien während Videlas Militärdiktatur. Die USA (Kissinger) haben die Diktatur von Beginn an unterstützt.

Trujillo, Somoza, Battista, Papa und Baby Doc, Pinochet, Reza Pahlavi, Suharto, die saudischen Scheichs, Tschombe, Mobuto, Kabila, Militärdiktatur Brasilien, Nigeria – und etliche mehr. Gegen diese Regimes gab es kein Embargo, keine Schweinebucht, keinen Luftangriff auf ihre Hauptstädte, keine Regierung des Westens hat unter Androhung von Sanktionen die Einhaltung von Menschenrechten gefordert. Es gab keine Mordanschläge vom CIA auf die Diktatoren. Die Bevölkerungen wurden vom gesamten Westen im Stich gelassen.

Kurz: Die Dritte Welt durfte und konnte ihrer Bestimmung als Rohstofflieferant, als Abnehmer von westlicher Überproduktion, als Müllhalde der kapitalistischen Industrieländer und als Lieferant von billiger Arbeit, auch zwecks Lohnsenkung und Sozialabbau in den Industrieländern, nicht entkommen.

Diese Einschätzung berücksichtigt allerdings nicht die industriekapitalistische Entwicklung in den sogenannten Schwellenländern. Die weltwirtschaftlich bedeutendsten unter ihnen sind die VR China und Indien. Beide Länder haben sich eher gegen den Westen industrialisiert als mit dessen Hilfe. Sie verteidigten erfolgreich ihre politische Unabhängigkeit.

Auf Taiwan begann unmittelbar nach der chinesischen Revolution auf Basis von hohen Investitionen durch die japanische Besatzungsmacht in die Infrastruktur die importsubstituierende Industrialisierung unter der Kuomintang-Regierung. Die USA förderten diesen Prozess mit Wirtschaftshilfe. In Südkorea gelang unter der Entwicklungsdiktatur von Park Chung-hee sowohl die umfassende Industrialisierung als auch die Hebung des Lebensstandards breiter Schichten der Bevölkerung.

In Brasilien und Mexiko hat die Errichtung moderner Produktionsanlagen durch Konzerne aus westlichen Ländern die Grundprobleme der Unterentwicklung nicht gelöst.

 

Warum sie uns hassen

Die militärischen Interventionen und die Geheimdienstoperationen, die die Souveränität eines Landes verletzen oder sogar beseitigen, haben zusätzlich eine verheerende Wir-kung auf die Opfer, auf die Daniele Ganser verweist: Das Eindringen fremder Mächte in das eigene „Haus“ und deren ungezügeltes Schalten und Walten dort wird als schwere Verletzung der eigenen Intimsphäre empfunden, als extreme Erniedrigung und Demütigung. Wir erinnern uns an diese Interventionen des Westens in islamische „Häuser“:

Iran 1953
Operation AJAX: Mossadegh von CIA/MI6 gestürzt

Ägypten 1956
Militärischer Angriff von Großbritannien, Frankreich, Israel wegen Verstaatlichung des Suez-Kanals

Tunesien 1958
Bombardierung des Dorfes Sakiet Sidi Youssef durch die französische Luftwaffe, 70 getötete und 130 verwundete Zivilisten, darunter viele Kinder

Tunesien 1961
Französischer Militärangriff auf Bizerta. 800 Tunesier getötet

Indonesien 1965
Putsch Suhartos und Ermordung von einer bis drei Millionen angeblicher Kommunisten mit Unterstützung der USA

Libanon 1982
Israel greift militärisch den Libanon an, ohne von diesem bedroht worden zu sein

Irak 1991
Hochtechnischer Krieg der USA gegen den Irak, etwa 100.000 irakische, etwa 1000 amerikanische Opfer. Anschließend westliches Embargo, Zunahme der Sterblichkeit um 90.000 Todesfälle pro Jahr, besonders betroffen Kleinkinder und Babys

Somalia 1993
Zwei Hubschrauber-Angriffe der USA mit anschließenden Kämpfen. Über 1000 Somalier und 18 amerikanische Solda-ten getötet

Afghanistan 2001
Invasion der USA und einiger Verbündeter

Irak 2003
Besetzung des Irak durch die USA

Libyen 2011
Militärisches Eingreifen der NATO in den libyschen Bürgerkrieg

Jemen 2015
Einmischung der USA in den jemenitischen Bürgerkrieg, massiver Einsatz von Kampfdrohnen

Drohnenkrieg fast überall und seit Jahren bis heute, sogar auf dem Territorium der Atommacht Pakistan. Dieser heimtückische Krieg, der den Opfern Überlegenheit und Unmoral des Westens besonders drastisch vor Augen führt und in die Seele brennt, ist die extreme, nicht zu übertreffende Kränkung und erzeugt Hass.

Exemplarisch für das Eindringen in arme christliche Häuser:

Guatemala 1954
Der demokratisch gewählte Präsident Jacobo Arbenz Guzmán entwickelte die Infrastruktur einschließlich der Schulbildung, schuf ein System von Sozialleistungen und führte eine Agrarreform durch.
1954 wurde Arbenz auf Betreiben der USA gestürzt und durch den Diktator Carlos Castillo Armas ersetzt. Innerhalb kürzester Zeit machte dieser sämtliche sozialen Reformen einschließlich der begonnenen Agrarreform rückgängig.

Halten wir uns für einen Augenblick die Aufnahmen von den Folterungen Gefangener islamischen Glaubens in Guantánamo und in Abu Ghraib vor Augen. Können wir uns vorstellen, dass diese Bilder von den Landsleuten und Glaubensgefährten der Opfer jemals vergessen werden? Können wir uns vorstellen, was diese Menschen empfinden, wenn sie die Eliten der USA und Europas von einer globalen Vorbildfunktion der „westlichen Werte“ sprechen hören?

Im Jahr 2004, ein Jahr nach dem Überfall auf den Irak, hat sich der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Frage gestellt, warum es so viele Menschen gibt, die die Vereinigten Staaten so sehr hassen, dass sie ihr eigenes Leben opfern, um Amerikaner anzugreifen und zu töten. Die Antwort von Donald Rumsfelds Ausschuss war: „Wissen Sie was? Diese Menschen, sie hassen uns nicht wegen unserer Freiheit, und sie hassen uns nicht, weil sie in einem religiösen Krieg stecken oder weil sie eine Religion haben, die sie zur Gewaltbereitschaft hypnotisiert. Sie hassen uns wegen unserer politischen Vorgehensweisen. Die bedingungslose Unterstützung Israels, die Besetzung und Bombardierung ihrer Länder, das Töten ihrer Kinder, die Unterstützung ihrer Diktatoren.“

Es war keine neue Erkenntnis für die politische Elite der USA. Schon „Präsident Eisen-hower hat seinen Stab 1958 gefragt: ‚Warum gibt es in der arabischen Welt eine Hass-Kampagne gegen uns?’ Nicht von den Regierungen, sondern von den Menschen. Und daraus ging im selben Jahr eine Studie des Nationalen Sicherheitsrats hervor. Darin hieß es: ‚Es gibt in der arabischen Welt die Auffassung, dass die Vereinigten Staaten brutale und diktatorische Regimes unterstützen und Demokratie und Entwicklung blockieren, und dass wir das tun, weil wir sicherstellen möchten, dass wir ihre Ressourcen und ihre Politik kontrollieren können.’ Es wurde auch vermerkt, dass diese Auffassung mehr oder weniger zutreffend ist, wir aber damit fortfahren sollten, weil es in unserem Interesse ist.“

 

Die können das nicht?

Mit dem Finger auf ökonomisch und sozial versagende „Eliten“ in der Dritten Welt, speziell in Afrika, zu zeigen ist bequem und kostet nichts. Klassen, Hierarchien, Gewalt, Ausbeutung existierten auch in den vorkolonialen Gesellschaften. Aber die spezifische Skrupellosigkeit des Kapitalismus, eingeschlossen die Legitimierung der Übervorteilung von Mitmenschen, haben die nachkolonialen Eliten wohl doch vom Westen, auch oft im Westen, gelernt. Man lese Ahmadou Kourouma: Die Nächte des großen Jägers für Afrika und Gabriel García Márquez: Der Herbst des Patriarchen für Lateinamerika. Kourouma schildert auch, dass es eine starke vorkoloniale Tradition der Bereicherung von Amtsträgern, des Nepotismus und der Korruption gibt. Wir müssen heute mit ansehen, wie sich in Afrika diese alten desaströsen Strukturen auch mit den formalen Mitteln der westlichen Demokratie bis hin zur ökonomischen und sozialen Lähmung der Staaten durchsetzen. Wir müssen aber auch mit ansehen, wie Staaten und Rüstungskonzerne des Westens die Despoten der Dritten Welt mit modernen Waffen beliefern.

Gern wird Südafrika als Beweis dafür genannt, dass „die Schwarzen“ nicht in der Lage sind, ihre Wirtschaft und ihren Staat sinnvoll zu organisieren. Das Kapitel „Demokratie in Ketten geboren – Südafrikas eingeschränkte Freiheit“ im Buch „Die Schockstrategie“ von Naomi Klein vermittelt Verständnis für die Entwicklung hin zu der heutigen betrüblichen Situation. IWF und Weltbank missbrauchten Gutgläubigkeit und naives Vertrauen von Nelson Mandela und des ANC. Hinzu kam die übliche Erpressung mit Kündigung von Krediten, drohender Isolation vom Weltmarkt und Kapitalflucht. Der ANC-Regierung wurden die hohen Schulden des Apartheit-Regimes aufgebürdet.

Jetzt zu sagen, die Schwarzen können das alles nicht: wirtschaften, regieren, planvoll handeln usw. ist schlicht falsch. Für alle sichtbar erbringen Menschen jeder Herkunft, jeder Hautfarbe, jeder Religion, und immer auch jeden Geschlechts, in allen Bereichen der Wissenschaft, der Technik, der Medizin, der Kultur, der Bildung, des Staatswesens hervorragende Leistungen.

Quett Masire, Präsident Botswanas 1980–1998, Sohn eines Hirten. Das Land wies eine der höchsten Wachstumsraten weltweit auf. Die Staatseinnahmen fließen in öffentliche Leistungen wie Gesundheit und Bildung. In internationalen Vergleichen nimmt Botswana regelmäßig einen hohen Rank bezüglich öffentlicher Verwaltung, Wachstum und humaner Entwicklung ein. Die Korruption ist gering.
http://africanarguments.org

Der Anteil an hoher Qualifikation und guten beruflichen Leistungen von Menschen aus der Dritten Welt und von Migranten läge noch höher,
– wenn sie in Europa und in den USA nicht Opfer offener oder latenter Diskriminierung wären,
– wenn die Kinder der Einwanderer angemessen gefördert würden, und
– wenn in den Ländern der Dritten Welt die allgemeinen Bildungschancen wenigs-tens annähernd denen in den Industrieländern entsprechen würden – wo sie bei weitem nicht ideal sind.

Es waren und sind Christen, die das Elend der Dritten Welt seit der frühen Neuzeit ange-richtet haben und bis heute anrichten. Niemals sind Angehörige anderer Religionen auf diese Art zu uns gekommen. Die in Spanien seit 711 eingefallenen muslimischen Araber unterwarfen die ansässige Bevölkerung, ließen ihr aber ihre christliche oder jüdische Religion und – wenn auch stark besteuert – ihre ökonomische Basis. Am ehesten mit den europäischen Eroberungen gleichzusetzen sind die Einfälle der Mongolen im 13. Jahrhundert, die aber nicht zu einer dauerhaften Unterwerfung der europäischen Bevölkerungen führten.

Nun fallen sie wieder in Europa ein, die muslimischen Araber, und die Afrikaner, Afghanen, Pakistani, Bangladeschi – arm, oft krank, oft traumatisiert, vollständig auf das „christliche Abendland“ angewiesen. Doch Europa lässt sie im Elend verkommen, in Griechenland, in Italien, in Libyen, an den Grenzzäunen Bulgariens und Ungarns, auch in Jordanien und anderswo. Aufnahme und Versorgung dieser Elenden brächten den europäischen Eliten keinen Nutzen. An der Haltung der europäischen Mächte gegenüber den „Kolonisierten“ hat sich seit 500 Jahren nichts geändert.

 

Der Terror entsteht naturgesetzlich

Die USA und Westeuropa haben diesen Flüchtenden eine von ihrer eigenen Tradition und Identität ausgehende wirtschaftliche Entwicklung in ihren Ländern unmöglich gemacht. Die Kapitalgesellschaften des Westens haben mit der Unterstützung ihrer Regierungen, von der militärischen Intervention bis zur Entwicklungshilfe, ihre Interessen gegenüber den Bevölkerungen der Dritten Welt stets durchsetzen können. Aber auch wir normale Bürger profitieren bis heute von der Ausplünderung und Ausbeutung der armen Länder und ihrer Menschen. Wenn sie jetzt in ihrer Not zu uns kommen, nennen wir sie Wirtschaftsflüchtlinge. Zehntausende kommen heute, Hunderttausende morgen, und bald Millionen. Sie lassen sich nicht aufhalten, auch durch die wachsende Gefahr nicht, dass die Flucht tödlich endet. Für eine zunehmende Zahl junger Menschen scheint der Terror die einzige Alternative zu sein.

Der Terror islamischer Fundamentalisten, der jeden von uns gefährdet, ist das Ergebnis westlicher Überheblichkeit und Jahrhunderte langer Demütigung der Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. In Paris, Brüssel, Nizza, Berlin und Istanbul hat er Menschen getroffen, die ganz überwiegend persönlich nicht an der Ausplünderung der Dritten Welt beteiligt sind. Es sind Menschen, die demselben globalen System unterworfen sind, die im selben Käfig festsitzen. Wir in den Industrieländern haben allerdings im Durchschnitt einen wesentlich höheren Lebensstandard, der aber an unserer grundsätzlichen Abhängigkeit vom kapitalistischen Verwertungsprozess nichts ändert. Auch wir nehmen Schaden an den Folgen des von unseren Politikern, fast allen Medien und vielen Wissenschaftlern als gerecht und alternativlos akzeptierten Wirtschaftssystems. Auch wir sind von der Klimakatastrophe, der Privatisierung unseres öffentlichen Vermögens und von der Erosion der sozialen Sicherheit betroffen. Auch wir sind immer von ökonomischen und politischen Krisen bedroht. Auch wir sind Zwängen ausgeliefert, die wir nicht geschaffen haben und die wir als Individuen nicht abstreifen können. Auf Basis dieser Tatsache und ihrer bewussten Akzeptanz sollte ein weltweites Bündnis gleicher Interessen von Nord und Süd für eine vernünftig und human gestaltete Welt kämpfen – für eine Welt, in der endlich die Ressourcen dieser Erde und die Kreativität des Menschen die Güter produzieren, die wir unserer Natur gemäß benötigen, ohne die Quellen allen Reichtums, die Erde und den Arbeiter, zu zerstören. Es ist noch nicht lange her, als diese Idee weltweit viel Zuspruch bekam, in den Zeiten von Aimé Césaire, Nkrumah, Nehru, Castro, Cardenal, Allende, Dutschke, Berlinguer und vielen mehr.

Es gibt keinen anderen Weg aus Armut, Unwissenheit, Unterdrückung Ausbeutung und Naturvernichtung. Nur so können schrittweise Demütigungen und Hass überwunden werden. Jeder Bürger und jede Bürgerin in den westlichen Ländern hat die Möglichkeit, etwas gegen die Ausplünderung der Dritten Welt und gegen die fortschreitende Beschädigung der eigenen Lebensbedingungen zu tun – politisch, ökonomisch und kulturell. Je mehr Menschen sich in der Erkenntnis zusammen finden, dass ein Überleben der Menschheit bei Fortbestand des okzidentalen Zivilisationssystems als Weltmodell ausgeschlossen ist, desto realer die Chance, die Lebensinteressen der vielen gegen die Bereicherungsinteressen der wenigen durchzusetzen.

Aimé Césaire 1913-2008, afrokaribisch-französischer Schriftsteller und Politiker, begründete mit Léopold Sédar Sénghor und Léon-Gontran Da-mas das Konzept der Négritude (schwarze Selbstbestimmung). 1945–2001 Bürgermeister von Fort-de-France, der Hauptstadt von Martinique

 

Anhang:

Über die Aktionen der USA zur Verhinderung wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwungs in Entwicklungsländern liegen zahlreiche Veröffentlichungen vor, unter anderen:
Noam Chomsky: Wirtschaft und Gewalt. Vom Kolonialismus zur Neuen Weltordnung, 1993/2015,
Daniele Ganser: Illegale Kriege. Eine Chronik von Kuba bis Syrien, 2016,
Noam Chomsky: Wer beherrscht die Welt? Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik, 2016,
Armin Wertz: Die Weltbeherrscher. Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA, 2015.
Mike Davis: Die Geburt der Dritten Welt. Hun-gerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter, 2004.
Und das Buch des Argentiniers Martín Caparrós: Hunger. Wie zum Teufel können wir weiterleben, obwohl wir wissen, dass diese Dinge geschehen?, 2015. Der Leser lernt, dass im Wesentlichen alles so geblieben ist, wie es immer war – und dass vor allem Kinder unbeschreiblich leiden müssen.

Die Nobelpreisrede von Harold Pinter fasst treffend zusammen:
http://www.poetenladen.de/harold-pinter-nobelpreisrede.htm

Und natürlich die Klassiker von Joseph Conrad: Das Herz der Finsternis, und Jakob Wassermann: Das Gold von Caxamalca, Stefan Zweig: Flucht in die Unsterblichkeit (Die Entdeckung des Pazifiks durch Balboa). Ferner Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde, und Eduardo Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas – und B. Traven.

„Der Kolonisator, der im anderen Menschen ein Tier sieht, nur um sich selber ein ruhiges Gewissen zu verschaffen, dieser Kolonisator wird objektiv dahingebracht, sich selbst in ein Tier zu verwandeln. Man erzählt mir von Fortschritt und geheilten Krankheiten. Ich aber spreche von zertretenen Kulturen, von Tausenden hingeopferten Menschen. Ich spreche von Millionen Menschen, denen man geschickt das Zittern, den Kniefall, die Verzweiflung eingeprägt hat.“
Aimé Césaire: Über den Kolonialismus. Wagenbach, Berlin 1968, S. 21–23.

Schriften von Afrikanerinnen und Afrikanern:

Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde
Sembène Ousmane: Gottes Holzstücke
Amadou Kourouma: Die Nächte des großen Jägers
Chinua Achebe: Termitenhügel in der Savanne
Chinua Achebe: Okonkwo oder Das Alte stürzt
Moses Isegawa: Die Schlangengrube
Fatou Diome: Der Bauch des Ozeans
Achille Mbembe: Ausgang aus der langen Nacht. Versuch über ein entkolonisiertes Afri-ka
Wole Soyinka: Die Last des Erinnerns. Was Europa Afrika schuldet, und was Afrika sich selbst schuldet, und weitere Werke
Nadine Gordimer: July’s Leute, und weitere Werke

 

Demütigung

China, Boxeraufstand 1900–1901

„Ein weiterer als besondere Demütigung empfundener Punkt war, dass der mit der Sühnemission beauftragte Zaifeng, 2. Prinz Chun, Vater des letzten chinesischen Kaisers Puyi, sich persönlich in Berlin unter entwürdigenden Bedingungen für den Gesandten-mord an Ketteler entschuldigen sollte. Die chinesische Delegation errang jedoch einen kleinen diplomatischen Sieg und konnte erreichen, dass der Prinz nicht vor Kaiser Wilhelm II. niederknien musste. Daraufhin konnte der Sühneakt schließlich am 4. September 1901 im Grottensaal, Neues Palais in Potsdam, Park Sanssouci, stattfinden.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Boxeraufstand#Der_erste_alliierte_Gegenschlag_und_sein_Scheitern

Eine gründliche Analyse auch der Mittäterschaft des Deutschen Reiches und der deutschen Öffentlichkeit bieten Mechthild Leutner, Klaus Mühlhahn (Hg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschlagung der Boxer-Bewegung 1900–1901, Berlin 2007

 

Sklaverei

„Überall wurden Zuckerplantagen angelegt; um 1680 waren die technischen und sozialen Strukturen etabliert. Bis 1700 waren ca. 450 000 Afrikaner in die nicht-spanische Karibik zwangstransportiert worden, gleichzeitig 600 000 nach Brasilien. Im 18. Jahrhundert wurden die britischen, französischen und holländischen Karibikinseln zu den weltweit größten Sklavenimporteuren (ca. 3 300 000 Menschen). … Vor dem mechanisierten Fabriksystem der industriellen Revolution kann die menschenverschleißende amerikanische Sklavenplantage als die wirtschaftlich effizienteste Form der großbetrieblichen Warenproduktion gelten. Zugleich waren die kolonialen Gesellschaften der Karibik, als traditionslose Kunstprodukte neu entstanden auf entvölkertem Land, das radikalste sozialtechnische Experiment der Epoche. Der weltgeschichtliche Schwerpunkt des Kolonialismus lag zwischen der Mitte des 17. Und dem Ende des 18. Jahrhunderts in ,Westindien‘.“
Jürgen Osterhammel: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 2009, S. 36 f.

„Aufgrund von quantitativen Untersuchungen, die der amerikanische Historiker Philip Curtin bereits in den 1960er Jahren durchführte und die später von anderen Wissenschaftlern beständig erweitert wurden und 1998 schließlich in einer Datenbank kulminierten, in der etwa 27.000 transatlantische Sklaventransporte erfasst sind, geht die Fachwissenschaft heute davon aus, dass zwischen 1519 und 1867 etwa 11,06 Millionen Afrikaner im Rahmen des atlantischen Sklavenhandels nach Amerika verschleppt wurden, davon 3,9 Millionen nach Brasilien. Damit dürften ältere Schätzungen, die von 15 Millionen Verschleppten ausgingen, „an der Obergrenze des Realistischen liegen.“[7] Dies besagt nichts über die Zahl derjenigen Sklaven, die als Folge des Sklavenfangs, während der innerafrikanischen Transporte und der Wartezeit in den Sklavenforts an der afrikanischen Westküste umkamen. Die ungefähre Zahl der Menschen, die während des Transports über den Atlantik starben, wird auf bis zu 1,5 Millionen Menschen geschätzt. An verschiedenen Universitäten, vor allem in den Niederlanden und in den USA, laufen Forschungsprojekte, die diesbezüglich mehr Klarheit bringen sollen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenhandel

„Gambia ist ein lebendiges Zeugnis vergessener Kapitel des düsteren europäischen Wirkens in Afrika. … Heute ertrinken die Nachfahren der Hinterbliebenen des gambischen Sklavenhandels zu Tausenden im Meer, während Europa über „gesteuerte Migration“ nachdenkt – also darüber, sich auszusuchen, welche Afrikaner man nimmt und welche nicht. Auch Sklaven wurden einst ausgewählt. Wer hat in Europa ein Bewusstsein für historische Reminiszenzen, die in Afrika durchaus lebendig sind? Gambia, dieses kolo-niale Überbleibsel, kann das Gedächtnis wach rütteln. Europa schaut weg, aber es entkommt seiner historischen Verantwortung nicht“.
Dominic Johnson in taz vom 23.1.2017

Kolonialwarenlieferanten

Bereits nach 100 Jahren war 9/10 der ursprünglichen Bevölkerung von 70 Millionen ,Ureinwohnern‘ verschwunden. Die „Westindischen Länder“ waren ein großes Geschäft für die spanische Nation und die europäischen Gläubiger Spaniens. Die zwischen 1503 und 1660 nach Spanien gebrachten Edelmetalle übertrafen dreimal die gesamten Reserven Europas. Um den spanischen Markt entbrannte ein heftiger Kampf derer, die ebenfalls am Reichtum Spaniens teilhaben wollten und sich dadurch „bequem“ an der Enteignung der amerikanischen Völker beteiligten. Die fortschreitende Zurichtung dieser Länder zu Kolonialwarenlieferanten entwickelte sie im Zuge der „internationalen Arbeitsteilung“ zu Anhängsel der in Europa und später in Nordamerika herrschenden Volkswirtschaften.

Hans-Theo Weyhofen: Eroberung Mittel und Südamerikas seit 1492, S. 52.
http://bos-wirtschaft-muenchen.de/downloads/conquista_1492.pdf

 

Raub des Bodens

„Eine in der neueren Kolonialgeschichte mindestens ebenso häufige Erfahrung wie Zwangsarbeit war der Verlust des Zugangs zum Boden: fast unweigerlich eine Ursache irreversibler Pauperisierung. Sie war der Normalfall in Siedlungskolonien ,neuenglischen‘ Typs, wo die verdrängten Einheimischen freilich selten Ackerbauern waren. Zu Landentfremdungen großen Umfangs kam es mit direkter Hilfe des kolonialen Staates, der freilich in vielen Fällen wenig mehr als ein Instrument der Siedler war, in Algerien und Südafrika, daneben auch in Kenia, Rhodesien und Neuseeland; die hochwertigsten Böden gelangten dabei in fremde Hand. Westafrika hingegen blieb, geschützt durch eine andere Art von kolonialer Politik, ‚peasant country’. Die mexikanischen Indianerverloren große Teile ihres Landes paradoxerweise, nachdem die Last des Arbeitszwanges von ihnen genommen war. In der späten Kolonialzeit begann ein Prozess, der sich bis ins frühe 20. Jahrhundert nahezu ungebremst fortsetzte: die territoriale Ausdehnung großbetrieblicher Haciendas in das Land von Dorfgemeinschaften und Kleinbesitzern hinein und damit deren Marginalisierung zu Landarbeitern, Halbpächtern oder Wanderarbeitern. Nicht mit dem frühkolonialen Arbeitszwang, der die indianische Gemeinschaft im Prinzip intakt ließ, sondern erst mit dem Landraub durch die semi-kapitalistischen Haciendas verloren die mexikanischen Indios die Kontrolle über ihre eigene Lebensführung.“
Jürgen Osterhammel: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, a.a.O., S. 83

 

„Innerer Kolonialismus“: Fortsetzung kolonialer Repression gegen die Bevölkerung nach der Unabhängigkeit

Brasilien: Ende des 19. Jahrhunderts hatten als Reaktion auf Dürre und Hungersnot im Nordosten Brasiliens Zehntausende armer Bauern und Plantagenarbeiter in Canudos unter Anleitung von Antonio Conselheiro in der Stadt und ihrer Umgebung ein selbstverwaltetes Gemeinwesen gegründet, in dem es gelungen war, in dieser Zeit großer Not in gemeinsamer Arbeit und gleicher Verteilung des Ergebnisses das Überleben aller zu sichern. „Während die regionalen und ethnischen Spaltungen zunahmen, führte die auf positivistischen Überzeugungen basierende Republik – 1889 an die Macht gekommen und von den Eliten aus Sao Paulo kontrolliert – einen grausamen Kreuzzug gegen die armen, von Dürre geplagten, aber gläubigen sertanejos im Nordosten des Landes. Der Krieg von Canudos, der 1897 in der Zerstörung de Heiligen Stadt Canudos im Sertao von Bahia und einem Massaker an Zehntausenden Gefolgsleuten von Antonio Conselheiro gipfelte, ist eines der konstituierenden Elemente in der modernen Geschichte Brasiliens.“ Mike Davis: Die Geburt der Dritten Welt, Berlin, Zürich 2005, S. 193.

 

Sogenannte Freihandelsabkommen

„Der südkoreanische Ökonom Ha-Joon Chang hat vorgerechnet, dass sich die technolo-gische Kluft zwischen reichen Staaten wie den USA oder Deutschland und den ärmsten Ländern wie Äthiopien oder Tansania auf etwa 60 zu 1 ausgeweitet hat. Selbst Schwellenländer wie Brasilien hinken 5 zu 1 hinterher, wenn es um die Produktivität ihrer Wirtschaft geht.

Dies bedeutet: Wenn sich ein Land wie Brasilien gegen die Übermacht der Industrieländer wehren will, reichen Zölle von 40 Prozent nicht, wie sie die USA im 19. Jahrhundert erhoben haben – sondern es müssten Zölle von weit über 100 Prozent sein. Doch stattdessen werden die Entwicklungs- und Schwellenländer gezwungen, Freihandelsabkommen und WTO-Verträge abzuschließen, die sinkende Zölle vorsehen.

So produziert man Verarmung – und Flüchtlinge. Die internationalen Abkommen müssten den Entwicklungsländern gestatten, ihre Produkte zollfrei zu exportieren. Gleichzeitig dürften sie jeden Importzoll erheben, den sie für sinnvoll halten. Nur dann haben die armen Länder eine Chance, ihre jungen Branchen gegen die Konkurrenz der Industrieländer zu schützen.

Selbst bei optimalen Handelsabkommen bliebe aber noch ein Problem: Viele Potentaten in den Entwicklungsländern haben derzeit kein Interesse, in ihrer Heimat zu investieren, sondern verstecken ihre Milliarden lieber in einer Steueroase. Besonders wichtig ist die Schweiz, die weltweit die Verteilung der Schwarzgelder organisiert.“

Ulrike Herrmann: Freihandel zwingt zur Flucht, taz vom 26.9.2015

 

Rohstoffplünderung

https://taz.de/Kobaltabbau-fuer-E-Autos/!5442128/
https://www.misereor.de/fileadmin/publikationen/studie-wenn-nur-die-kohle-zaehlt.pdf
https://www.land-conflicts.fu-berlin.de/_media_design/Policy-Paper-Reihe/glocon_policy_paper_1.pdf
https://taz.de/Chinesischer-Bergbaukonzern-in-Peru/!5411938/
https://taz.de/!5458848/ Madagaskar

Bergbau in Lateinamerika: „Die Konzerne lernen aus dem Widerstand, nicht aus den Unglücken“

Das Wassertribunal spricht sein Urteil zum Fall „Conga“


https://fr.wikipedia.org/wiki/Mounana Uranabbau in Gabun
https://taz.de/Oeko-Desaster-in-Ecuador-mit-Folgen/!5567290/ Ecuador

Interview: „Wir brauchen eine Rohstoffwende“


https://www.misereor.de/fileadmin/publikationen/publikation-fragwuerdige-unternehmenstaetigkeiten-glencore.pdf
https://monde-diplomatique.de/artikel/!5337730 Zement
https://www.misereor.de/

 

Rohstoffbedarf durch Umstellung auf E-Mobilität lässt Bedarf an Rohstoffen aus Entwicklungsländern exponentiell steigen:

„Und nicht nur die Stromherkunft ist bei E-Autos ein Problem. Vor allem für die Herstel-lung der Batterien werden Rohstoffe gebraucht, die unter katastrophalen menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen abgebaut werden, warnen Entwicklungsorganisationen und ökologisch orientierte NGOs. Sie fordern: Hersteller sollen gesetzlich dazu verpflichtet werden, beim Abbau bestimmte Standards einzuhalten, etwa in Bezug auf die Umwelt und die Rechte der Arbeiter und Arbeiterinnen.

Auch die Verfügbarkeit der Rohstoffe ist ein Problem. Der Thinktank Agora Verkehrswende warnte schon vor drei Jahren vor einem steigenden Bedarf, sollten sich Elektroantriebe weltweit durchsetzen. So werde die Nachfrage nach Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit deutlich steigen, der von Lithium auf knapp 160.000 Tonnen im Jahr 2030 und sogar 500.000 Tonnen im Jahr 2050. Dabei werden derzeit im Jahr nur 35.000 Tonnen produziert. Die Gewinnung von Lithium ist mit einem enormen Wasserverbrauch verbunden, Dürren und Versalzung der Böden können eine Folge sein – was Bauern und Bäuerinnen etwa in Chile oder Bolivien bedroht.

Pro Batterie benötigen die Hersteller derzeit auch etwa 15 Kilogramm Kobalt. Die Nachfrage der Autoindustrie wird nach Ansicht von Agora Verkehrswende auch hier explodiere, und auch der Grafitbedarf wird deutlich steigen. Dabei richtet der konventionelle Bergbau weltweit Schäden an: Kinderarbeit gehört oft zum Geschäft. Die Bevölkerung in den betroffenen Regionen klagt über verschmutztes Wasser, zerstörte Landschaften. Beim Nickelabbau etwa in Indonesien und auf den Philippinen wird saures Grubenwasser freigesetzt, das in Böden, Flüsse und Grundwasser gelangt.“

taz vom 25. August 2020

 

Ausblick

„Wie tief der Bruch sein muss, um ein Weiterleben zu sichern; wie schnell die kolonisierenden, „weltbeglückenden“ Europäer lernen müssen, von gewohnten Standards Abschied zu nehmen; aber auch wie eindeutig die kolonisierten Nicht-Europäer diese Standards als nicht mehr erstrebenswert betrachten werden (in irgendeiner Variante von Fundamentalismus); inwieweit eine weltweite „Re-Moralisierung der Ökonomie“ (im Sinne der bewussten und gezielten Einschränkung der „reinen Marktgesetze“) stattfinden kann, ohne gleichzeitig vergangene Atavismen wiederzubeleben (Nationalismus, fanatischer, ethnischer Partikularismus und anderes mehr) – dies sind wesentliche Fragen an die Zukunft, die durch die Europäisierung und Kapitalisierung der Welt erst aufgeworfen und zugespitzt wurden und die mit bloßer Markt- und militärischer Machtlogik nicht mehr zu beantworten sind. Dies ist das eigentlich Neue an der Umbruchschwelle des Jahres 2000 gegenüber der des Jahres 1492. … Den Preis des zivilisatorischen Fortschritts, der durch die europäische Welteroberung zu entrichten war – vor allem von den unterworfenen Völkern, aber auch von den europäischen Kolonisatoren selbst – kann mittlerweile niemand mehr zahlen: Weder ist er aus der geplünderten Natur noch aus der Mehrheit der verelendeten Massen der Dritten Welt herauszupressen.“

Dieter Boris: Ursprünge der europäischen Welteroberung, a.a.O., S. 171

 

Materialsammlung: Ressourcenförderung – Humane und ökologische Kosten; wirtschaftliche Verluste

LMd September 2016: Kapitalismus in Kapseln
Brasilien. Eisenerzmine in Mariana, Bundesstaat Minas Gerais: Bruch zweier Dämme
Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Dammbruch_von_Bento_Rodrigues

LMd Oktober 2016: Dreckiger Zement
Indonesien. Abbau eines ganzen Gebirges auf Java

LMd November 2016: Zentralafrikanische Republik: Das große Uran-Komplott.
Der französische Konzern Areva und seine dunklen Geschäfte in Afrika

LMd Dezember 2016: Schweden: Erz und Rentiere. Welche Zukunft hat Lappland?
Flächennutzung für Erzabbau, Verdrängung der Rentierwirtschaft

Steinkohle: Cerrejón in Kolumbien
SPIEGEL-Online 3.1.2017: Kohle aus Kolumbien
Die dunkle Seite der Energiewende
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-und-die-energiewende-wie-laender-wie-kolumbien-dafuer-zahlen-a-1127332.html

Great Barrier Reef – Australien genehmigt umstrittenen Kohlehafen
ZEIT-Online, 22.12.2015

Bergbau auf den Philippinen
https://youtube.com/watch?v=HLQxvV6CIGQ%26autoplay%3D1

http://www.asienhaus.de/philippinenbuero/unsere-arbeit/bergbau-und-rohstoffgerechtigkeit/

„Die frühere britische Entwicklungsministerin und jetzige Parlamentsabgeordnete Clare Short, Leiterin einer internationalen Mission über die Auswirkung von Bergbauprojekten im Juli und August 2006, schrieb im Abschlussbericht: „Ich habe niemals etwas so systematisch Destruktives gesehen wie das Bergbauprogramm der Philippinen. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind ebenso katastrophal wie die Auswirkung auf die Lebensbedingungen der Menschen.“ Sie merkte weiter an, dass sowohl die philippinische Regierung wie auch die Bergbauunternehmen es versäumt hätten, nationale und internationale Standards zu beachten.“
http://www.amnesty-philippinen.eu/Bergbau_und_Zwangsraeumung_AI.pdf

Bergbau in Peru – vor allem Kupfer und Gold
https://www.misereor.de/fileadmin/publikationen/studie-rohstoffe-menschenrechte-in-peru.pdf

taz vom 25.8.2017
Schmutzige Deals mit „blauem Erz“. Kobaltabbau im Kongo
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5442128&s=dominic+johnson/

LMd August 2017 Eisenerze aus Indonesien: Freeport-McMoRan
Marie Beyer und Martine Bulard: Die Puppenspieler von Jakarta

„Bei seinem Amtsantritt erließ der Präsident (Jokowi) ein Exportverbot für Roherze. Er wollte die multinationalen Konzerne zwingen, nicht nur die Bodenschätze auszubeuten, sondern auch eine verarbeitende Industrie aufzubauen.“ Unter dem Druck einer Koalition aus indonesischem Militär und den internationalen Konzernen, vor allem auf Druck des US-amerikanischen Giganten Freeport-McMoRan musste Jokowi diese Entscheidung zurück nehmen. Jokowi entschied daraufhin, dass der indonesische Staat 51 % der in-donesischen Tochtergesellschaft von Freeport-McMoRan übernimmt. Ein Bündnis aus korrupten einheimischen Geschäftsleuten, dem Militär, dem Konzern und der US-Regierung laufen gegen dieses Vorhaben seitdem Sturm. Die US-Regierung entsandte extra Vizepräsident Mike Pence nach Jakarta.
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe von LMD stand der Sieger noch nicht fest.

„Auf Grund seines Einflusses und seiner Unternehmenspolitik ist Freeport unter Beobachtung vieler Menschenrechts- und Umweltschutzgruppen. Wegen der ernsthaften und irreversiblen Umweltverschmutzung, des Brechens internationaler Gesetze und mangelnder Transparenz hält der staatliche norwegische Pensionsfonds Freeport-Aktien für ethisch nicht vertretbar.“

„Das Unternehmen erlangte 2003 Aufsehen im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen um die Grasberg-Mine, dem größten Goldbergwerk der Welt in Westneuguinea. Durch die jahrelange Zahlung von mehreren Millionen US-Dollar Schutzgeld an einzelne Offiziere von Militär und Polizei, die Mitverantwortung an der Vertreibung und Tötung vieler tausend Angehöriger der Papua haben, nahm es die Verschlechterung der Lage der Urbevölkerung in der von Unruhe geprägten Provinz Papua in Kauf.

Genauso bekannt ist Freeport für seine Umweltzerstörung. In den Minenverträgen für Grasberg sind keine Umweltauflagen enthalten und vertrauend auf die guten Beziehungen zur indonesischen Regierung ignoriert das Unternehmen die indonesischen Umweltschutzgesetze. 238.000 Tonnen giftiger Abraum werden täglich über die Flüsse Aghawagon und Otomona in den Ajkwa-Fluss transportiert, sowie in Seen verklappt, direkt neben dem Lorentz-Nationalpark. Schon 1990 wurde in der Arafurasee eine deutlich erhöhte Kupferkonzentration gemessen. Laut Freeport ist das Wasser der Flüsse trinkbar und es werden alle Regelungen vom Unternehmen eingehalten. Journalisten und unabhängige Beobachter erhalten keinen Zutritt zur Mine. Durchgeführte Umweltunter-suchungen werden nicht veröffentlicht und unabhängige Messungen nicht zugelassen.

Bedeutende ehemalige Aufsichtsratsmitglieder
Henry Kissinger, US-Außenminister 1973–1977, davor ab 1969 US-Sicherheitsberater, politischer Berater des indonesischen Präsidenten Abdurrahman Wahid 2000–2001. Aufsichtsratsmitglied 1995–2001“.
https://de.wikipedia.org/wiki/Freeport-McMoRan

LMd: Le Monde diplomatique. Deutsche Ausgabe. Erscheint monatlich, liegt auch der taz bei.

 

Sandabbau in den Meeren

http://www.scinexx.de/dossier-803-1.html
http://www.scinexx.de/inc/artikel_drucken.php?f_id=803&a_flag=2
http://www.scinexx.de/dossier-detail-803-4.html
http://www.scinexx.de/dossier-detail-803-5.html
http://www.scinexx.de/dossier-detail-803-6.html
http://www.scinexx.de/dossier-detail-803-7.html
http://worldoceanreview.com/wor-3-uebersicht/mineralische-rohstoffe/vorkommen-und-maerkte/sand-kies-und-phosphat-aus-dem-meer/
http://www.br.de/themen/wissen/sand-rohstoff-abbau-straende-100.html
http://www.ikzm-d.de/modul.php?show=121
https://de.wikipedia.org/wiki/Sand
https://de.wikipedia.org/wiki/Sand#Sand_als_endliche_Ressource
https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5452581&s=sand/